Inhalt

Persönliche Stellungnahme zum ukrainischen Unabhängigkeitstag

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

heute, am 24. August, ist der ukrainische Unabhängigkeitstag. Ein Tag an dem normalerweise mit viel Tam-Tam die Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion gefeiert wird. Dieses Jahr ist es anders. Die Raketen die seit genau einem halben Jahr in der Ukraine zum Einsatz kommen sind keine Pyrotechnik. Menschen, die sich sonst mit Begeisterung dieses Spektakel ansahen, suchen bei den gleichen Geräuschen Schutz im Keller.

Ich kann nicht beurteilen warum es zu diesem Krieg kam oder ob man ihn hätte verhindern können. Vielleicht sah Russland seine Interessen durch die westliche Annährung der Ukraine gefährdet, vielleicht will man den Traum einer mächtigen Sowjetunion wieder aufleben lassen, oder vielleicht saß Herrn Putin einfach nur ein Furz quer (wie meine Oma zu sagen pflegte).

Auf russischer Seite ist bisher leider kein Einlenken zu erkennen. Die oft erhoffte und ebenso oft niedergeknüppelte Opposition findet praktisch nicht statt. Der Großteil der Russen steht (zumindest nach offiziellen Angaben) hinter der „Sonderaktion“ in der Ukraine. In diesem Zusammenhang sind Aussagen wie: „Das ist Putins Krieg, nicht der Krieg der Russen.“ (Zitat: Olaf Scholz vom 16.08.2022), bestenfalls einem romantischen Weltbild geschuldet.

Russland ist schon lange keine Weltmacht mehr. Die Wirtschaftsleistung Russlands entspricht in etwa der Leistung der Niederlande zusammen mit Belgien. In Wissenschaft und Kultur findet Russland auf der Weltbühne faktisch nicht statt. Eigentlich gibt es überhaupt nur zwei Gründe mit diesem Land zu reden: Rohstoffe und strategische Streitkräfte.

Und da liegt dann auch schon unser Problem. Uns war und ist der Charakter unseres „Dealers“ doch eigentlich schon immer egal – solange nur die Preise günstig sind und der „Stoff“ verlässlich kommt (um den Vergleich zu anderen Abhängigen zu wagen). Das Russland dabei nicht mit Dankesschreiben auf westliche Sanktionen antwortet, war zu erwarten.

Wie also weiter? Man könnte es mit Brecht halten und meinen: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“. Das hieße aber, dass uns all das Leid am Hintern vorbei ginge und unsere vielbeschworenen „Werte“ kaum mehr sind, als der Luxus, den wir uns in guten Zeiten gönnen um moralische Überlegenheit zu demonstrieren. Der Ausbau alternativer Energien, oder wenigsten die Erschließung neuer Handelsrouten, kann unmöglich bis zum kommenden Winter realisiert werden. Bleibt also nur sparen, hoffen und abwarten.

In jedem Fall bleibt mir die Hoffnung, dass dieser ganze Blödsinn nicht ewig weitergehen kann und mein tief empfundenes Mitgefühl für die Ukrainerinnen und Ukrainer, die diesen Krieg er- und überleben müssen.

Oliver Radzio
Bürgermeister